auf meiner persönlichen Rangliste der attraktivsten deutschen Vorkriegs-Lkw stand schon immer ganz oben der L 10000 mit dem bis 1937 verbauten, etwas eckig-altmodischen Fahrerhaus. Ich hatte bereits vor etwa 25 Jahren, damals noch am Militärmodellbau interessiert, von diesem Fahrzeug samt Anhänger einen - maßstabsbedingt naturgemäß weniger detaillierten - Scratchbau in 1:35 für ein Diorama angefertigt, und hatte, nachdem dies einigermaßen gelungen war, immer im Hinterkopf, irgendwann einmal das gleiche in 1:24 zu machen.
Ich habe die Sache dann 2005 als meinen ersten zivilen Lkw-Scratchbau begonnen. Das Sammeln von Referenzmaterial verlief zunächst unbefriedigend. Zwar hatte ich mein Material des 1:35-Baus aufbewahrt, zwar gab das Bücherbord mittlerweile mehr her, und es fand sich damals schon einiges im Netz. Möglich wurde der Bau aber erst durch die wiederholte Hilfsbereitschaft des (damals noch Daimler-Chrysler-) Werksarchivs - und dies auch noch völlig kostenlos. Leider war dort viel Archivmaterial zum L 10000 im Krieg vernichtet worden. So gab es keinerlei Zeichnungen von Fahrgestell oder dem ganzen Fahrzeug, geschweige denn Maßzeichnungen, von denen genaue Maße hätten abgenommen werden können. Ein erhaltenes Originalfahrzeug gab es nicht, der heute im Werksmuseum ausgestellte O 10000 war damals noch nicht zugänglich. Zur Verfügung standen ausschließlich historischen Fotografien und Prospekte. Die Entscheidung, trotzdem zu beginnen und sozusagen wie ein Bildhauer sich teilweise auf das eigene Augenmaß zu verlassen, fiel dann, als ich ein sehr gutes, exakt rechtwinklig von der Beifahrerseite aufgenommenes Foto bekam, das ich unter Zugrundelegung des bekannten Radstandes auf genau 1:24 vergrößert habe und so wenigstens Längen- und Höhenmaße abnehmen konnte; außerdem hatte ich ja mein kleines Modell, bei dem ich vor stets Augen hatte, wo es stimmig aussah und wo nicht.
Als konkretes Vorbildfahrzeug ausgewählt habe ich dann das heute wohl am häufigsten abgebildete Exemplar, das an den auffallend hohen Bordwänden mit "Sunlicht-Seife" beschriftet ist und das markante, auch beim zweiachsigen L 6500 manchmal zu sehende, nach hinten schräg ansteigende Fahrerhausdach hat (offensichtlich aufgesetzt wegen des Schwalbennestes).
Obwohl es ein vollständiger Scratchbau war, bei dem außer den abgeänderten Revell-Felgen und einigen Karrosseriekleinteilen alles angefertigt werden mußte, war dann alles weniger problematisch als befürchtet. Meine eigentliche Hauptsorge während des Baus war stets, daß das Projekt zwar handwerklich gelingen, es aber wegen der zahlreichen notwendigen Daumenpeilungen nach Fertigstellung nicht stimmig aussehen würde.
ZitatAls konkretes Vorbildfahrzeug ausgewählt habe ich dann das heute wohl am häufigsten abgebildete Exemplar, das an den auffallend hohen Bordwänden mit "Sunlicht-Seife" beschriftet ist und das markante, auch beim zweiachsigen L 6500 manchmal zu sehende, nach hinten schräg ansteigende Fahrerhausdach hat (offensichtlich aufgesetzt wegen des Schwalbennestes).
Ich kenne zwar das Originalfahrzeug und dessen Farbgebung nicht (vielleicht hast du hier nach eigener Idee lackiert), aber eine Beschriftung würde sich auf den hohen Bordwänden ganz gut machen. Mit stellt sich bei den extrem hohen Bordwänden da allerdings die Frage: Wie haben die damals die Bordwände auf und zu bekommen? Das kann ja nur mit Zuhilfenahme von Leitern möglich gewesen sein. Im Nachhinein kamen mir schon bei meinem Baustoffzug Bedenken, da ich auch dort die Verschlüsse weit oben angesetzt hatte.
Gruß Oliver
Gute Vorsätze für dieses Jahr hab ich keine. Die vom letzten Jahr sind noch unangetastet
Ein Augenschmaus und jede Menge Arbeit. Ein solches Fahrzeug zu bauen erfordert viel Geschick und Durchhaltevermögen. Wenn man bedenkt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel doch sehr spärlich waren. Das man mit so einem Ding fahren musste, grenzt an "Wahnsinn". War ja ein Unding, dieser Lkw. Aber Wirtschaftswunder sahen doch immer Kurios aus - stimmt doch, oder? bewundernswerte Grüsse
Dein Link trifft es genau. Leider ist das dort zu findende eine Bild recht klein, und es wird auch nur die Beifahrerseite gezeigt. Da ich vom (ehemals Daimler-Chrysler-)Werksarchiv die Unterlagen mit der Genehmigung zur Veröffentlichung unter der Maßgabe bekommen habe, daß ich auf deren Herkunft hinweise, gebe ich diesen Hinweis hier nochmals für die nachfolgenden Bilder.
Oliver, Jochen,
auf die Beschriftung habe ich damals aus mehreren Gründen verzichtet. Zum einen gab es außer den SW-Fotos keine Informationen zu den Farben. Zum anderen ist das saubere Aufbringen von Schrift auf "Holz"bordwände mit ihren aufgesetzten Klappenscharnieren und Schattenfugen zwischen den "Brettern" nach meiner Erfahrung heikel, egal ob durch Lackieren, Aufreiben oder Abziehbilder. Außerdem fand ich auch, daß eine große Beschriftung von der bizarren Form des Fahrzeugs etwas abgelenkt hätte.
Oliver,
die ungewöhnliche Bordwandhöhe ist bei näherer Betrachtung nicht mehr abwegig. Der L 10000 hatte einerseits das gleiche Niederrahmen-Fahrgestell wie der Omnibus O 10000.
Dadurch lagen Fahrerhaus und Ladefläche deutlich niedriger als üblich (Dadurch wirkt auch die Motorhaube so extrem lang).
Andererseits sieht man bei Vorbild und Modell unter der Ladefläche genau unter den hinteren und mittleren Bordwandverschlüssen festmontierte kleine Leitern. Die vorderen Verschlüsse sind unschwer von den Trittbrettern aus zu erreichen.
Gerhard,
das Fahren muß hier wirkliche Schwerstarbeit gewesen sein. Dies umso mehr als der Werksprospekt einen Wendekreis von sage und schreibe "ca. 30m" angibt und dies ohne Lenkhilfe mit Reifen 13.50-22. Eigentlich kaum vorstellbar ist, wie diese fahrgestellgleichen Berliner Doppeldecker im Stadtgebiet bewegt werden konnten
Ja, da ist man sprachlos! Einfach genial Die Bordwände müssen aber doch in der Höhe zweiteilig gesesen sein, sonst bekommt man sie doch gar nicht auf?!
Deine Vermutung, die hohen Bordwände müßten horizontal geteilt gewesen sein, ist beim Vorbildfahrzeug völlig richtig. Wenn man genau hinsieht, erkennt man an den Bordwandscharnieren weit oben jeweils ein zusätzliches Gelenk.
Zu Zeiten, als Ladegut noch verbreitet aus einzelnen Kartons, Kisten, Säcken o. ä. bestand, waren oftmals die verbreiteten 80er Bordwände immer noch zu niedrig, so daß sie erhöht oder einfach mit Aufsteckschotten versehen wurden. Solche Erhöhungen hatten aber eine natürliche Grenze: Nicht weil die Bordwände zu schwer, zu unhandlich oder zu schlecht zu erreichen waren, sondern einfach weil, wie Du richtig erkannt hast, sie von einer gewissen Höhe an beim Abklappen halb geöffnet auf den Boden geschlagen wären.
Ich habe in meinen recht umfangreichen Unterlagen nur zwei weitere Abbildungen mit horizontal geteilten Bordwänden gefunden (Regenberg, Krupp-Album S..81, Fahrzeug Speer; Regenberg, MAN-Album S. 45, Fahrzeug Antuka). Diese Bordwände sind dann beide Male schon auf den ersten Blick viel zu hoch, um sie ungeteilt abklappen zu können.
Nach 10 Jahren war ich mir doch nicht mehr sicher, ob ich beim Bau die für ein Abklappen maximale Bordwandhöhe beachtet hatte. Da das Maß bei heutigem Nachmessen stimmte, muß ich damals wohl doch darüber nachgedacht haben. Anderenfalls wäre eine Korrektur am Modell heute ohnehin kaum noch möglich gewesen, aber ich hätte, ehrlich gesagt, dann auch damit leben können.
Ein gewaltiges Modell mit diesen Proportionen bekommt es einen ganz eigenen Charme, und dein perfekter Bau macht etwas ganz spezielles daraus.
Ob da nicht der Aufbau etwas groß geraten ist, auf jedenfalls hatten sie damals schon ein hoch Dach und keiner hat es weiter verfolgt bis in die 90'iger.
Hoffe auf weitere so faszinierende Modelle von dir
ich finde heute auch, daß zwischen der Höhe des Aufbaus und dem tief sitzenden Fahrerhaus irgendwie ein Mißverhältnis besteht. Dies würde ich heute wohl anders machen. Aber hinterher ist man ja meist klüger.
Was es beim Originalfahrzeug mit dem erhöhten Dach auf sich hatte, konnte mir niemand beantworten. Einerseits habe ich diese Form nur beim L 10000 und beim zweiachsigen Bruder L 6500, jeweils mit Plane, gesehen, andererseits fand sich in den mir vom Werk überlassenen Prospektkopien kein Hinweis, daß dies eine Werksoption war. Es fragt sich aber nicht nur, wer das Dach aufgebaut hat, sondern auch warum. Aerodynamik, wie manchmal vermutet, war bei der geringen Motorleistung wohl kaum der Grund. Ein Schwalbennest dürfte m. E. doch auch mit dem serienmäßigen Flachdach zugänglich gewesen sein. Gab es da ein Schwalbennest mit zwei übereinanderliegenden Schlafplätzen? Fragen über Fragen.
sorry, dass ich mich zu Deinem Modell erst heute melde. Da ich in letzter Zeit zumeist mit meinem Tablet (Kindl Fire) im Forum unterwegs bin, konnte ich Deine Bilder leider nicht sehen. Das Problem habe ich bei Dir, Gabor und Andreas (Actros 4860) Aber die Überschrift erinnerte mich an einen Beitrag im MLF vor einigen Jahren, der mir sehr im Kopf haften geblieben war. Da gab es damals jemanden, der ein Super-Modell anhand dürftiger Unterlagen erstellt hat, es sagenhaft lackiert hat und auch noch als Sahnehäubchen obendrauf Fotos in Studioqualität erstellt hat. Das wir Dich seit einiger Zeit in unseren Reihen haben, ist ein Gewinn fürs Forum. Von Deinen Fähigkeiten - die Du ja auch im Beispiel mit den Lacken mit uns teilst - können wir hier alle noch viel lernen. Da stört es dann wenig, wenn die Pritsche mit der Plane einen Hauch zu hoch erscheint. Wer weiß, vielleicht gab es auch andere Varianten. Denn von richtigem Serienbau nach heutigen Maßstäben dürfte der 10 Tonner einiges entfernt gewesen sein. Zu Deinem Hinweis mit dem Wendekreis der Berliner Doppelstockbusse: vergiß bitte nicht, dass Berlin breite Straßen ( und das auch schon damals, bevor Britische und Amerikanische Flugzeuge in die Verkehrsführung eingegriffen haben) hatte. Die klassische Berliner Hauptverkehrsstraße hat 4 Fahrspuren und 2 Parkspuren, häufig noch durch einen begrünten Mittelstreifen getrennt. Da kommt man mit dem Wendekreis noch hin...
ich freue mich sehr, daß Dir mein altes Posting in Erinnersung geblieben ist. Dies müßte 2012 im Wettringer Forum gewesen sein. Ich konnte mich dort mit zwei oder drei unbehelligt durchs Forum irrlichternden Leuten, denen offenkundig weniger am Modellbau als an sinnlosem Krawall gelegen war, nicht wirklich anfreunden, so daß ich meinen Account nach einigen Wochen wieder habe schließen lassen
Ich muß gestehen, daß ich nie in Berlin war; heutzutage kommt man wohl leichter nach Honolulu als zu den Sehenswürdigkeiten des eigenen Landes. Obwohl von dem vor dem Krieg gebietsweise sehr verwinkelten Hamburg durch den Bombenkrieg m. W. noch weniger übriggeblieben ist, sind die Straßenführungen großenteils bis heute beengt. Größere Gelenkbusse können nur auf wenigen Linien eingesetzt werden. Von ähnlichen Vorkriegsverhältnissen bin ich unwissenderweise auch für Berlin ausgegangen. Es wäre interessant zu wissen, wodurch solch ein Unterschied zu Hamburg (und wohl den meisten deutschen Städten) entstanden ist. Möglicherweise liegt der Grund darin, daß Berlin sehr viel jünger als die Städte im Westen ist und deshalb nicht jahrhundertelang unkontrolliert wuchern konnte.
Wie auch immer - kräftige Oberarme werden mangels Lenkhilfe trotzdem kein Nachteil gewesen sein.